Interview Dr. Katrin Korth, Listenplatz 1

Katrin, du leitest und koordinierst ein Riesen-Bauprojekt in Tübingen hast du darüber hinaus ein eigenes Planungsbüro und trotzdem noch Zeit für dein Hobby Garten! Du hast jetzt ein ganz neues Beet angelegt – was wächst denn da so?

 

Zunächst mal ist der Garten mehr als ein Hobby, er ist auch Arbeit. Aber vor allem ist er ein Ausgleich für das, was ich sonst mache. Der Garten ist ein Rückzugsraum und eine Erholungsoase.

 

Aber du verfolgst da schon auch Projekte.

 

Ich verfolge da jedes Jahr ein neues Projekt. Vor drei Jahren war es der Teich. Und letztes Jahr habe ich angefangen zu planen für ein Beet, ich nenne es mal ein Klimawandel-Anpassungsbeet.

 

Genau! Über das würde ich gerne sprechen und mehr erfahren…

 

Das Klimawandel-Anpassungsbeet ist aus der Idee entstanden, dass Staudenbeete zunehmend auch in den heißen Sommern Schwierigkeiten haben zu wachsen. Also bestimmte Stauden funktionieren einfach nicht mehr, weil sie mit der Hitze nicht klarkommen. Aber es gibt Pflanzen, die dem Klimawandel besser standhalten können. Z.B. die spanische Edeldistel, bestimmte Gräserarten. Oder Brandkraut, Echinacea, Salbei, Bergminze, Storchschnabel, Katzenminze… Also eigentlich Pflanzen, die wir auch seit vielen Jahren schon kennen in den Gärten, die einfach mit langer Trockenheit gut klarkommen. Auch alle Pflanzen die so silbrig sind, also Wermut, Silberraute, Beifuß… Die kommen einfach mit ihren silbrigen, ledrigen Blätter gut mit  Hitze und Trockenheit klar. Die Idee für diesen Ort im Garten – der ganz schwierig war, weil der einfach im Sommer so heiß wird und die Sonne so drauf knallt – war, dort ein Beet anzulegen, das erstmal gestalterisch mit dem Thema Klimawandel spielt. Also ein trockener Bachlauf und große Hölzer, Steine, Kiesel – und eben Stauden, ein ganzes wogendes Meer von Stauden und Gräsern! Das wollte ich ausprobieren – und jetzt habe ich die Pflanzen eingesetzt und schau jede Woche, wie das wächst J

 

Und muss man die dann auch nicht mehr so viel gießen?

 

Momentan muss man sie natürlich noch viel gießen. Aber wenn sie dann groß sind, dann nicht mehr so! Also es ist natürlich für uns hier, die wir hier leben, in dem Haus und in dem Garten, was Schönes. Aber es ist auch was, wo ich Menschen beraten kann, sozusagen ein kleiner Schaugarten.

 

Und in Sachen Klimawandel hast du ja mal geschaut, was das denn mit unseren Höfen hier macht und den Vorgärten. Und du hast Messungen vorgenommen.

 

Ja, das ist so ein Thema, mit dem ich mich viel beschäftige. Auch wenn ich da öffentliche Räume plane…Öffentliche Räume, z.B jetzt in Tübingen, da ist es ein zentraler Omnibusbahnhof, aber auch Plätze in der Stadt. Es geht ja immer darum, dass man es an diesen Orten im Sommer auch noch aushalten kann, wenn es immer heißer wird. Und das sieht man ganz deutlich auch auf Höfen, in Vorgärten –  überall eigentlich wo wir leben – und dieses Thema mit den Höfen, das treibt mich irgendwie schon ganz lange um, weil ich das so traurig finde. Erst mal wie die Höfe aussehen, wenn sie komplett versiegelt sind. Oder das Schottergarten-Thema. Wird ja oft gemacht, weil Menschen denken, das sei praktisch… Tatsächlich aber wird es unglaublich heiß!  Und in den Höfen habe ich letztes Jahr im Sommer mal geschaut, wie die Hitzeeinstrahlung ist. Das kann man mit einer Wärmebildkamera perfekt messen und da siehst du dann einfach: wenn ein Hof begrünt ist, wenn er Rasen hat oder wenn er Staudenbeete oder Bäume hat, dann macht’s Schatten, klar. Aber es gibt noch einen anderen Effekt, nämlich dass  da, wo etwas wächst, auch eine Verdunstungskälte entsteht. Und deswegen ist es für uns dort angenehmer. Es ist ganz, ganz wichtig, dass wir in den Städten, aber am Ende auch hier bei uns auf dem Dorf, dass wir immer mehr solche grünen Orte schaffen, damit es im Sommer noch auszuhalten ist.

 

Eigentlich wissen wir das – als Planende sowieso. Aber wenn ich Vorträge halte –  wo es dann auch Fotos von der Wärmebildkamera gibt, weil man es damit so plastisch zeigen kann – ist das immer so ein großer Aha-Effekt! Ich möchte damit tatsächlich auch dazu beitragen, dass die Welt ein bisschen schöner ist und dass wir es auch in den nächsten Jahren noch in unserer Welt aushalten können…

 

Wenn ich früher vor Gemeinde- und Ortschaftsräten gesagt habe, wir müssen hier Bäume pflanzen, dann kam oft: Ach Bäume, die machen nur Dreck! Mittlerweile hat sich das komplett geändert und es heißt eher: Ja, Bäume machen Dreck, aber wir haben ja den Klimawandel, es ist ganz wichtig, dass wir mehr Bäume haben. Das freut mich!

 

In Sachen Klimawandel gibt es ja so Angstszenarien. Z.B. Fridays for Future, die arbeiten sehr stark damit. Oder der Chef der UNO sagt: Wir rasen mit dem Schnellzug auf die Katastrophe zu. Das stimmt einerseits. Ich glaube aber, dass man Menschen damit nicht erreichen kann. Man kann sie eher erreichen, wenn man ihnen Möglichkeiten [an die Hand] gibt, wie sie selber mit dieser Situation umgehen können. Und das ist eigentlich mein Ansatz.

 

Also dass man durch bewusste Gestaltung tatsächlich was bewirken kann. Und es kommt ja auch immer was nach. Die Fichten sterben, aber dafür gibt es dann andere Bäume…

 

Die Fichten sind ganz gefährdet, ja. Also Bäume, die flach wurzeln, die keine Anbindung ans Grundwasser haben, Bäume mit einer hohen Verdunstung haben auch Probleme. Kastanien sind da betroffen, Buchen sind auch sehr problematisch. Deswegen werden wir zunehmend gerade in den Städten auch Bäume pflanzen, die eher aus Südeuropa kommen oder aus China oder den USA. Da ist z.B. die Zerreiche, die sieht genauso aus wie eine Eiche, die hat nur etwas kleinere Blätter, weil sie aus Südeuropa kommt. Und damit kommt sie einfach besser bei Hitze klar.  Also da kann man viel machen – und es ist wichtig, dass wir es jetzt tun! Damit die Bäume, wenn sie dann in ein paar Jahren groß sind, auch ihre Wirkung entfalten können. Gerade im städtischen Raum werden mittlerweile viele Bäume gefällt, weil sie einfach mit der Situation nicht mehr klarkommen. Es gibt auch mehr Schädlinge, die durch die Hitze kommen, ganz üble Pilzerkrankungen…Und deswegen müssen wir jetzt im Grunde genommen sukzessive unseren Baumbestand auswechseln.

Jetzt würde ich gerne noch ein ganz anderes Thema anschneiden, so zum Abschluss. Also eine im engeren Sinne politische Frage: Katrin, wie funktioniert Bürgerbeteiligung? Du hast damit ja eine Menge Erfahrung, vielleicht kannst du uns mal ein bisschen was drüber erzählen, wie das funktioniert und was für Auswirkungen das hat.

 

Ich finde, dass das eine ganz spannende Frage ist, weil es darauf auch gar keine einzelne Antwort gibt.

 

Wenn wir uns als Gesellschaft, vor allem als deutsche Gesellschaft anschauen, dann kommen wir historisch gesehen aus einem Obrigkeitsstaat. Als man Deutschland sozusagen als Staat gegründet hat, war das eine Staatsgründung von oben und es gab ganz klar eine Obrigkeit, den Kaiser und den Kanzler Bismarck. So ist das so alles von oben herab eingeführt worden. Und das hat auch dazu geführt, dass wir als Gesellschaft so ein gewisses Obrigkeitsdenken immer hatten.

 

Nach dem Motto, die machen das schon richtig für uns?

 

Die machen das schon richtig oder die wissen das besser. Ich kann sowieso nichts ändern und ich bin ja nur ein kleines Licht. Und dann, wenn man sich die Nachkriegsentwicklung in Deutschland anschaut, gibt es natürlich die 68er Bewegung, es gibt so diese ganzen Bürgerbewegungen, die ja auch dazu geführt haben, dass es mehr Mitsprachemöglichkeiten gab auf der großen politischen Ebene. Die Grünen sind ja ein Ergebnis dieser Bewegungen, die als außerparlamentarische Opposition entstanden und dann irgendwann in die Parlamente eingezogen sind. Aber es hat dann noch mal viel länger gedauert bis dieses Thema Beteiligung oder Partizipation auch sozusagen in jedem Projekt angekommen ist. Und es gibt keine eine Antwort darauf – was ist die richtige Beteiligung?

 

Ich bin davon überzeugt, dass Menschen in ihrem Umfeld sehr wohl wissen, was für sie gut ist, weil sie in diesem Umfeld leben, weil sie wissen, das funktioniert, das funktioniert nicht. Das ist so erste Schritt für mich, dass man nicht von oben herab plant und sagt Ich weiß das alles besser wie ihr, sondern dass man zuhört und dass man sich anhört, was gibt es für Anregungen oder auch was für Ängste. Wenn wir planen, sind das ja immer Veränderungsprozesse – Veränderungen machen generell auch erst mal vielen Menschen Angst.

 

Das sollte ja auf kommunaler Ebene eigentlich am leichtesten zu realisieren sein, denn da hat man das ja alles besser im Blick.

 

Auf der einen Seite, ja  – auf der anderen Seite hat diese Beteiligungsstruktur, die es dann ja gibt, [auch Hürden]. Also: Wir machen jetzt einen Workshop, wir fragen jetzt mal DIE Bürger! Und dann kommt immer die Frage: wer sind DIE  Bürger? Es sind zunächst mal die, die in die Beteiligung kommen. Das kann man bei Beteiligungsveranstaltungen immer gut sehen. Es sind in der Regel Menschen um die 60 und älter, die in Bürgerbeteiligungen gehen…

 

Ist das so, ja?

 

Das siehst du in fast allen Beteiligungen. Und dann sind wir lange davon ausgegangen –  als Planende und in den politischen Gremien  – dass damit eine Planung doch besser geworden ist. Aber wir wissen nicht, ob es für alle besser ist! Also deswegen finde ich, dass der erste Schritt bei Beteiligung ist, dass man informiert, dass man seine Prozesse offenlegt. Und zwar in einer Form, dass nicht ich [als Bürger] unbedingt immer in die Gemeinderatssitzung gehen muss, sondern dass eine Gemeinde, eine Stadt aktiv darüber informiert. Also auf die Bürger zugehen, das ist der erste Schritt.

 

Darf ich da grad mal nachhaken? Woran, glaubst du, liegt es, dass sich vor allem ältere Menschen daran beteiligen? Jüngere sind doch von solchen Entscheidungen meist viel intensiver betroffen?

 

Das stimmt, ich habe mich das lange auch gefragt, und dann habe ich mal überlegt: wie war es bei mir? Ich habe mich lange Zeit auch nicht damit beschäftigt, da war ich mit meinem Studium beschäftigt, da war ich damit beschäftigt, mit meinem Sohn mein Leben zu gestalten, und da hatte ich gar keine Zeit, in Beteiligung zu gehen! Und habe auch gar nicht das Gefühl gehabt, dass mir das was bringt, dass das meine Umwelt besser machen könnte. Und das geht, glaube ich, vielen jungen Menschen so. Und es geht auch vielen Menschen in Familien so, dass sie gar nicht die Zeit haben, in solche Veranstaltungen zu gehen. Deswegen habe ich in den letzten Jahren gute Erfahrungen mit digitalen Formaten gemacht, also Befragungen übers Internet. Da kann man auch mehr informieren. Eine gute Möglichkeit, auch andere Menschen zu erreichen.

 

Also Familien sind so ein Punkt – und wen wir bei der Beteiligung auch gern vergessen, das sind Menschen mit Migrationshintergrund. Die brauchen ohnehin noch mal eine ganz andere Ansprache, in der Regel auch eine direkte Ansprache.

 

Und Jugendliche?

 

Jugendliche gehen nicht in klassische Beteiligungen, weil sie da nicht das Gefühl haben, dass sie gehört werden. Wenn dann ein grauhaariger älterer Mann erzählt, wie die Welt geht, dann ist das für Jugendliche eher abschreckend. Und dann gibt es so eine Phase im Leben, das fängt meistens so ab Mitte 50 an, wo die Menschen sich plötzlich stärker mit ihrem Umfeld identifizieren. Die Kinder sind groß, man ist fest verwurzelt im Ort und dann fängt man auch an, sich stärker zu interessieren – und hat mehr Zeit. [Diese Gruppe] dominiert dann auch oft die Beteiligung.

 

Wäre ja sinnvoll, wenn man ungefähr einen repräsentativen Bevölkerungsschnitt hätte…

 

Das stimmt. Da gibt es [Ansätze], bei denen quasi repräsentativ eine bestimmte Anzahl von Menschen ausgewählt wird nach einem Los Prinzip. Die werden dann zur Beteiligung eingeladen. Das finde ich eine ganz gute Möglichkeit, auch repräsentativ ein Meinungsbild zu bekommen.

 

Und an dieser Stelle dann erzählt Katrin, welche erfolgreichen eteiligungsformen sie bei dem Bauprojekt in Tübingen angewendet haben – hört einfach mal rein… Prädikat lehrreich!

[Unabhängig davon, wie die Beteiligung durchgeführt wird]: wichtig ist immer klar zu haben, wo die Reise hingehen soll. Also wenn ich weiß, ich habe einen Ort, der soll ein Busbahnhof werden, dann muss klar sein, dass das am Ende auch ein Busbahnhof ist und dass er auch funktioniert – [unterschiedliche Belange hin oder her].

Findest du denn, dass es hier genügend Bürgerbeteiligung gibt?

Finde ich nicht. Das ist ja ein großer Punkt, mit dem wir auch als Liste MiTEiNANDER antreten. Wir möchten mehr Offenheit und mehr Transparenz. Wir möchten, dass über die Dinge, die hier im Ort passieren, erst mal informiert wird Wir möchten, dass darüber diskutiert wird. Und wir möchten, dass man das, was hier nötig ist, auch gemeinsam entwickelt. [Transparenz ist tatsächlich eine der großen Motivationen, die wir haben]. Einen Ort zu haben, in dem man versteht, warum Dinge passieren und auch noch mal irgendwann sagen kann Ja, habt ihr an das gedacht oder habt an jenes gedacht, also dass ich einfach als Bürgerin, als Bürger ernst genommen werde.

Katrin, ich danke dir für das Gespräch und wünsche euch viel Erfolg mit der Liste!