Mehr als 35 Interessierte folgten am vergangenen Freitag der Einladung von MiTEiNANDER in den Gemeinschaftsraum der Seniorenwohnanlage Auf der der Schanz, um zusammen über Gutes Leben im Alter zu diskutieren.
Mit Michael Lucke, Bürgermeister a.D. in Tübingen, Vorstand im Landesseniorenrat und in der Alzheimergesellschaft war ein ausgewiesener Experte vor Ort.
Wie ist unsere Ausgangssituation in Lichtenau?
Der überwiegende Anteil älterer und alter Menschen lebt daheim. Trotzdem denken die meisten an Pflegeheime, vielleicht auch an betreutes Wohnen, wenn sie über Leben im Alter nachdenken.
Aktuell leben in Lichtenau 1070 Menschen, die über 65 Jahre alt sind (21%) (demgegenüber stehen nur 867 Menschen unter 18 Jahren). Im Jahr 2030 werden es schon 1348 Menschen über 65 sein, also 27%. Die meisten dieser Menschen leben heute in nicht barrierefreien Ein-und Zweifamilienhäusern und oft leben sie allein. Da wir auf dem Land leben, organisieren fast alle dieser Menschen ihre Mobilität mit dem Auto, denn Arzt, Einkaufen, Post sind am einfachsten mit dem Auto erreichbar. Es gibt ein Pflegeheim, eine Tagespflege und zwei Anlagen für betreutes Wohnen. Ab und zu gibt es Ausfahrten für Senioren, organisiert durch die Stadt.
Es gibt also irgendwie ein Angebot. Wirklich gut gerüstet sind wir aber nicht. Thema in der Kommunalpolitik war das in den letzten Jahren auch immer nur punktuell.
Wenn wir uns diese Zahlen anschauen, liegt auf der Hand, dass wir vor einer riesigen gesellschaftlichen Herausforderung stehen:
Michael Lucke stieg mit einigen These in die Diskussion ein:
1. „Bürgermeister eröffnen gern Pflegeheime und sagen dann, sie hätten alles für ein gutes Leben im Alter getan. Das ist falsch, denn 96% der alten Menschen wohnen nicht im Pflegeheim.“
2. Unsere bisherigen Strategien für Pflege im Alter werden bald nicht mehr funktionieren, denn es gibt immer mehr alte Menschen, immer weniger Pflegefachkräfte in den Heimen und auch immer weniger private Pflegekräfte aus dem Ausland. Gute Pflege kann sich schon jetzt nicht jeder Mensch leisten. Vielfach funktioniert auch private familiäre Pflege und Betreuung nicht mehr, denn dafür müssen Eltern und Kinder in einem Haus wohnen und Kinder Zeit haben.
3. Wir haben in Deutschland mit einem hohen Anteil an Ein-und Zweifamilienhäusern die falschen Häuser und wir bauen auch weiter die falschen Häuser. Wir brauchen vor allem für das Alter adäquate Wohnungen, z.B. kleinere, barrierefreie oder Wohnungen in gemeinschaftlichen Wohnprojekten.
4. Ein autoorientiert gestalteter öffentlicher Raum ist altenfeindlich (kinderfeindlich übrigens auch).
5. Ältere Menschen sind viel mehr in den eigenen Räumen. Es braucht gezielte Angebote für Hilfen im Haushalt und gegen Einsamkeit.
6.Das Ehrenamt allein kann diese Herausforderung nicht leisten.
7. Darauf warten, dass ein Investor oder irgendjemand anderes kommt, der es richtet, ist keine Lösung.
Was ist nun die Lösung und wie sieht der Weg dahin aus?
Wenn wir wollen, dass Menschen möglichst lange, selbstbestimmt zu Hause leben, dann müssen wir uns mit den Themen a) Wohnen, b) Bewegen und gesund leben, c) Begegnung und Kontakte sowie d) Betreuung auseinandersetzen.
Es gibt viele Möglichkeiten für ein gutes Leben im Alter. Wir müssen die für uns passenden Möglichkeiten finden.
Wir brauchen Eigeninitiative und Eigenvorsorge und müssen uns mit dem Thema auseinandersetzen: in der Familie, mit Freunden, im Quartier, im Ortsteil, in der Stadt und in der POLITIK.
Die Kommune muss eine koordinierende Aufgaben übernehmen, Kräfte und Ideen bündeln, Menschen und Angebote vernetzen.Dafür gibt es sogar Fördermittel.
Kurzum:
Wir brauchen ein Strategie und eine öffentliche Diskussion über diese Themen.
Wir von MitEinANDER wollen uns diesem wirklich dringlichen Thema widmen und eine gemeinsame Strategie für Gutes Leben im Alter in unserem Lichtenau erarbeiten.